Gesprächsangebot

Die Wahrheit – in meinen Augen – ist,
dass die Gräben innerhalb unserer Gesellschaft gerade wie unter einem Brennglas zu Tage treten.
Wir streiten heftiger denn je oder verstummen sogar, die Beziehungen untereinander aufgebend, da uns die Tagesthemen Corona-Virus und Impfung gegen denselben jede*n einzelnen von uns in irgendeiner Weise persönlich betreffen. Wir können nicht heraus aus dem Thema, da es nicht um Entscheidungen geht, die unser Leben eventuell in Zukunft beeinflussen könnten (wie es zum Beispiel bei der Diskussion um die Aufnahme von Flüchtlingen wäre), sondern um eine weltweite pandemische Situation, in der wir alle seit eineinhalb Jahren gefangen sind.

 

Die Wahrheit – in meinen Augen – ist,
dass wir als Gesellschaft jetzt gerade auf die Probe gestellt werden. Sind wir fähig, trotz ganz unterschiedlicher Weisen, nach Informationen für unsere Entscheidungen zu suchen, trotz unserer emotionalen Involviertheit, trotz der anhaltenden Pandemie-Dauer, in der sich unsere Ansichten noch weiter verhärten konnten, einander zuzuhören, einander ernst zu nehmen, uns in unseren unterschiedlichen Meinungen wertzuschätzen? Sind wir fähig, miteinander im Gespräch zu bleiben und uns die Aussagen unseres Diskussionspartners zu Herzen zu nehmen? Oder sind unsere Herzen schon verschlossen?

 

Die Wahrheit – in meinen Augen – ist,
dass sich Impfgegner in ihrem Aufstand gegen eine politische Verleumdung und Verschwörung bestätigt fühlen durch Impfpflicht hinter vorgehaltener Hand – eine anscheinend moderne politische Strategie, bei der es an Ehrlichkeit und Durchsetzungsvermögen mangelt und die wohl einfach opportunistische Wählerbefriedigung im Fokus hat -,
dass sich Impfskeptiker schon die Ohren zuhalten, um sich Überredungsversuchen oder gar moralischen Vorwürfen nicht mehr aussetzen zu müssen,
dass Impfbefürworter auf dem moralisch höheren Ross zu sitzen glauben, da sie gewiss sind, mit der Impfung nicht nur sich selbst geschützt, sondern auch eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung übernommen zu haben.

 

(Offenlegung: Ich selbst befürworte die Impfung gegen Covid. Mir wäre es tatsächlich am liebsten, würden sich noch viel mehr Menschen impfen lassen. Ich weiß nicht, wie und warum dieses heimtückische Virus entstanden ist, ich trete aber dafür ein, hier nicht die Herkunftsforschung sondern die Handlungsforschung, also eine uns Menschen das Leben wieder verschönernde Bewältigung des Virus, voranzutreiben und die Pandemie möglichst schnell zu beenden. Ich glaube an die Wirksamkeit der Impfung in diesem Zusammenhang.)

 

Die Wahrheit - in meinen Augen - ist,
dass es uns als Gesellschaft an etwas mangelt: An Mut, sich Diskussionen zu stellen – nicht nur als verhärtete unnachgiebige Front, sondern als neugieriger Gesprächspartner, der mit Interesse auf die eigene, durch die Diskussion angeregte Entwicklung blickt. An Bereitschaft, sich empathisch auf eine andere Meinung ein und Gespräche in einem selbst nachwirken zu lassen. An Liebe, die sich von gegensätzlichem Denken nicht stören lässt und die sich selbst als letztes Wort in den Mittelpunkt stellt.

 

Die Wahrheit - in meinen Augen - ist,
dass wir uns tagtäglich für oder gegen eine derart mangelhafte, die Gräben zu überwinden unfähige Gesellschaft entscheiden können.

 

Die Wahrheit - in meinen Augen - ist, dass uns jetzt nur unser wertschätzender Blick auf unsere Mitmenschen und auf deren Beweg- und Entscheidungsgründe und unser herzoffenes Einbringen in die großen Fragen unserer pandemischen Zeit weiterhelfen können.

 

Das ist die Wahrheit – in meinen Augen. Wie sieht die Wahrheit für dich aus?